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„Führerdemokratie?“ „Wirklich?!“

Ja! Paul Lendvai hat in Bezug auf die aktuelle politische Situation Ungarns tatsächlich diesen Begriff verwendet.

 

Als Mann, der zu Recht stolz auf seine ungarisch-jüdisches Herkunft ist und Ungarns Erfahrungen im 20. Jahrhundert gut kennt, hätte Paul Lendvai es besser wissen müssen, als auf solche Referenzen reinzufallen, um die bekannte Anklage des Antisemitismus zu erheben. Die jüdische Gemeinde in Ungarn erlebt tatsächlich eine Renaissance. Dies ist jedoch nicht das einzige, was an den Ergänzungen in seinem Buch Die Ungarn falsch ist.

In dem Versuch, heute angesichts der letzten zehn Jahre der Regierungen von Premierminister Viktor Orbán „ohne Hass, Bitterkeit und Voreingenommenheit“ über Ungarn zu sprechen, hat der ehemalige kommunistische Kollaborateur und strenge Orbán-Kritiker Paul Lendvai beschlossen, sein Buch Die Ungarn: Eine tausendjährige Geschichte um zwei zusätzliche Kapitel zu erweitern.

„Ich konnte Viktor Orbán einfach nicht auslassen“, sagte Lendvai kürzlich in einem Interview mit der in Wien ansässigen Tageszeitung Kurier und fügte hinzu, „dreißig von insgesamt tausend Jahren mögen unbedeutend erscheinen, aber sie sind wichtig“. Der „Ungarn-Experte“ ist der Meinung, dass es 2010 nicht nur einen Regierungswechsel, sondern auch einen Regimewechsel gegeben hat.

Damit bin ich völlig einverstanden. Seit 2010 hat das ungarische Volk dreimal für eine Alternative zur linksliberalen Regierung, die das Land fast in den Bankrott getrieben hatte, gestimmt, und sich für eine Führung entschieden, die Ungarn dazu verholfen hat, sein derzeitiges Ansehen als Teil des aufstrebenden mitteleuropäischen Wirtschaftsmotors der EU zu erreichen. In den letzten zwei Jahren haben wir, noch vor der Coronavirus-Krise, die ungarische Staatsverschuldung gesenkt und eine Rekordtief bei der Arbeitslosenquote von 3,6 Prozent erreicht.

Darüber hinaus geht es ungarischen Familien jetzt besser als je zuvor. Eine umfassende Familienpolitik unterstützt sie bei jedem Schritt auf dem Weg und die demografischen Daten schwingen allmählich ins Positive.

Selbstverständlich werden diese unbedeutenden Tatsachen in Lendvais liberaler Analyse nicht erwähnt, es wird lediglich darüber nachgedacht, wie die „Dämonen“ einschließlich „Nationalismus, Menschenhass, Korruption und autoritäre Tendenzen“ aus der ungarischen Vergangenheit zurückgekehrt sind. Für einen Moment habe ich gedacht, dass Lendvai die Gelegenheit verpassen würde, eine populäre Kritik gegen die Ungarn zu erheben: den Antisemitismus.

Aber am Ende konnte er doch nicht widerstehen: In den beiden zusätzlichen Kapiteln seines Buches bezeichnet Lendvai das derzeitige politische System Ungarns – Achtung! jetzt kommt’s! – als „Führerdemokratie“. „Wirklich?!“ Das ist besonders billig, wenn es von jemandem wie Lendvai kommt, der zu Recht stolz auf sein jüdisches Erbe ist, der zu genüge weiß, was Ungarn im 20. Jahrhundert durchgemacht hat. Er ist nicht dumm, konnte aber nicht widerstehen, dem Drang nachzugeben.

Nichts von diesem antisemitischen Unsinn über die Regierung von Premierminister Orbán stimmt mit der Realität überein. Ganz im Gegenteil: Budapest ist einer der wenigen Orte in Europa, an denen niemand zweimal hinschaut, wenn jemand seine Kippa auf der Straße trägt. Selbst wenn wir die von der Regierung finanzierten Synagogenbauten und -renovierungen außer Acht lassen und die Tatsache ignorieren, dass Premierminister Orbán der erste ungarische Ministerpräsident war, der sich laut prominenten jüdischen Persönlichkeiten offen für die Rolle Ungarns im Holocaust entschuldigte, bemerken jene, die das Land in letzter Zeit besucht haben, dass die jüdisch Gemeinde in Ungarn eine Renaissance erlebt.

Wenn Paul Lendvai, der beliebteste „Ungarn-Experte“ des liberalen Mainstreams, jemals über den tatsächlichen Antisemitismus in Ungarn schreiben möchte, dann werde ich gerne ein paar Hinweise geben. Wie László Bíró, Jobbik und die Koalition der linken Parteien Ungarns sowie die radikalen Rechten.